Merlin klein,Aschearbeit,Akademie der Blidenden Künste München,Radikale Transformation
Ich verbrenne Dinge, um aus ihrer Asche etwas Neues zu machen. Die Dinge gehörten mir nicht. Die Personen, denen sie gehörten, gaben sie mir, da sie diese Dinge in ihrer bisherigen Form nicht mehr länger behalten wollten. Es sind Dinge von persönlichem, emotionalem Wert. Erinnerungen, Geschichten, Gefühle sind damit verbunden, im guten oder auch im schlechten Sinn. Es sind Dinge die diese Personen hinter sich lassen möchten, die sie aber nicht einfach nur in den Müll werfen wollen. Es geht um eine letzte Konfrontation, um Konsequenz, um Bewältigung, um eine wohl reflektierte Transformation. Es geht um Dinge die nach einer anderen neuen Form verlangen.
Und so erhalte ich das eine oder andere Paket, gefüllt mit Akten, mit Liebesbriefen, mit einem Tennisschuh, alten Kleidern, Krimskrams. Manche wollen mir die zugehörigen Geschichte erzählen, ermuntern mich zu lesen, manchmal beschäftige ich mich mit dem Inhalt eines Kartons sehr lange. Andere entscheiden sich für die Anonymität und wünschen, dass das Paket ungeöffnet verbrannt wird. Alle wissen Bescheid, wie ich mit ihren Gegenständen im Weiteren verfahre.
Ich verbrenne die Dinge im Freien. Ich achte darauf, dass alles restlos zu feinster Asche verglüht. Einige Teilchen fliegen mit den Flammen in den Himmel. Das ist nah am Kitsch. Kein Pathos, keine Feier, keine Zeremonie.
Ich reinige die Asche, siebe sie um, die etwas gröberen und die nicht verbrannten anorganischen Teile zu entfernen. Vermischt mit reinem Knochenleim gieße ich einen Rohling, der der endgültigen Form schon möglichst nahe kommt. Nach der Aushärtung korrigiere ich die Form, bis sie meinen Erwartungen entspricht, bis sie stimmt. Durch das sehr feine Schleifen entsteht eine seidenmatte, fast samtartige Oberfläche, die sich angenehm anfühlt und die das Licht nicht hart zurückwirft.
Aus der gewonnenen Asche mache ich ein neues Objekt, das als Schmuck getragen werden kann. Die Form dieses Gegenstandes hat mit dem Paket und mit der Person, die es mir gegeben hat zu tun. Durch die persönlichen Treffen, die Gespräche, die Geschichten, wachsen und entwickeln sie sich. Während der Arbeit tauchen immer wieder neue Fragen auf. Es braucht keine Antwort. Ich kann die endgültige Form nicht erklären, aber sie ist nicht beliebig. Und ich weiß nie wie lange es dauern wird bis ein Stück fertig ist.
Ich gebe den mir anvertrauten Dingen eine neue Form. Unabhängig davon, ob die damit verbundenen Erinnerungen und Geschichten freudig, erträglich oder unerträglich waren. Jetzt ist es eine tragbare Form.
Einige der Personen wollen das fertige Schmuckstück nicht, geben es frei. Andere wollen das Objekt wieder zu sich nehmen.